Ich habe das Thema “Besitz” ja lange Zeit sehr belächelt und als kleinbürgerliche Werte abgetan - und jetzt erst bemerkt, welche wichtigen Bedürfnisse daran hängt. Besonders klar ist mir das geworden, als Spotify ihre Preise hier in Deutschland erhöht hat: da kontrollliert jemand etwas, das ich eigentlich gerne besitzen möchte, auch wenn es was so scheinbar einfaches ist wie Musik.
Das Problem hat mit dem starken Umweltbewusstsein begonnen. Materieller Besitz wurde dadurch als moralisch falsch gesehen und ich bin dem gerne gefolgt. Wo habe ich stattdessen meinen Wert gesehen? Im Lernen und gute Noten schreiben. Dieser Status ist mein Besitz gewesen und über sehr lange Zeit hat sich das auch stabilisiert. Die Noten gehören mir … oder?
An der Uni und darüber hinaus wird das nicht mehr so klar. In der Schule hat man durch die große Vergleichsgruppe noch eine gute Referenz gehabt, aber mittlerweile muss ich da raus, Noten haben nicht mehr den Wert, den sie in jüngeren Jahren mal hatten. Auch reines Wissen fühlt sich … nicht mehr so wertvoll an, weil es so unsichtbar ist und an mich selber gebunden. Wissen vergeht mit mir.
Etwas zu besitzen heißt auch, sich darum zu kümmern und es zu pflegen. Ja, Besitz kann rein konsumeristisch gedeutet werden, aber ich sehe eher den Aspekt der psychologischen Sicherheit: hier ist etwas, das mir gehört, wo ich darüber bestimmen kann, wie es funktioniert und das mir niemand (so leicht oder ohne Wehr) wegnehmen kann.
Psychologische Sicherheit: Wie eine Base in Minecraft, wie mein eigener Musik-Server auf meiner Fritzbox, wie meine eigenen Webseiten. Ich bemerke, wie mein Besitz sehr stark ins digitale wandern. Weil dort die moralischen Bedenken des Umweltbewusstsein glücklicherweise nicht mehr so stark klingen. Weil dort viel mehr Freiheit ist. Weil ich dort mein Wissen in Artefakte umwandeln kann.
Und es ist eine Gratwanderung, wofür ich bereit bin Geld auszugeben und wofür nicht. Die 35€ für meinen Internetanschluss sind teuer - aber jetzt mit dem Musikserver spare ich mir Speicherplatz auf dem Webspace und habe das wirklich bei mir im Besitz. 10€ für das Uberspache und mittlerweile 2€ (?) für die Domain sind weitere Fixkosten. Spotify lohnt sich für mich nicht mehr, auch weil das Produkt nicht mehr wirklich gut funktioniert. Wenn ich mittlerweile mehr Musik auf Youtube höre und dort mehr gute Musik finde - dann läuft etwas schief.
Dieses Geld ist aber nur eine “Grundsteuer”, weil ich darauf aufbauend eigentlich alles nach meiner Freiheit bauen kann, wie ich will. Die Software ist frei, die Tools sind frei, ich brauche keine Subscriptions. Mich stören ja Abos nicht an sich … aber wenn man das Gefühl hat, dass man über den Tisch gezogen wird, dann ist es kein gutes Gefühl und das ist bei einigen Anbietern leider der Fall. Auch Copilot habe ich jetzt (erstmal) gekündigt und werde mal schauen, ob sich das noch lohnt - ich bin mit Gemini aktuell fast mehr zufrieden.
Hier ist glaube ich das zentrale Problem: Viele Anbieter erlauben es nicht mehr, Dinge zu besitzen. Das, weshalb wir in die digitale Welt geflüchtet sind, weil wir hier mehr Freiheit haben … wird uns wieder eingeschränkt, uff.
Es geht auch um Pflege, den Musikserver muss ich selber pflegen, aber dadurch entwickle ich auch eine Beziehung zu dem Produkt. Klappt natürlich nur, wenn das nicht überfordert (arrrg.de will ich nicht selber hosten, das ist mir zu heiß) Vielleicht hänge ich deshalb so sehr an meinem ersten Handy: ich habe das persönlich gerooted und angepasst - dadurch hat es einen größeren emotionalen Wert.